Bei den Fotos habe ich versucht, etwas einzustellen, das ich hier noch nicht so oft abgebildet gesehen habe, lediglich das einmillionste Foto des Wegs zur Anse Source d'Argent konnte ich mir nicht verkneifen. Die Fotos überhaupt dürften den Ansprüchen der hiesigen Profifotografen mit Sicherheit nicht genügen, ich bin aber auch nur ein Hobbyknipser, mehr nicht.
03.10.-11.10.08 La Digue
Eigentlich wollte ich schon immer mal auf die Seychellen. Jedesmal, wenn ich auf die Réunion geflogen bin, habe ich mir gesagt, daß es eigentlich dumm ist, immer diesen langen und teuren Flug über die Inseln hinweg zu machen, ohne dort Station zu machen. 2008 wurde das Vorhaben dann in die Tat umgesetzt.
Die eine Woche auf den Seychellen ist nur der Auftakt zu einer insgesamt fünfwöchigen Reise kreuz und quer durch den indischen Ozean. Anschließend geht es weiter auf die Réunion, wo ich Verwandte habe und mit denen ich von dort aus noch weiter reisen werde, wohin steht zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fest.
Ich reise ohne Begleitung, denn fünf Wochen mit meiner deutsch-creolischen Verwandtschaft ist für einen Außenstehenden manchmal nicht so einfach auszuhalten. Eine Woche Seychellen wiederum ist ein kurzes und teures Vergnügen. Übrigens hat mir zu meiner Verblüffung dies sogar ein Internet-Reiseveranstalter auf meine Buchungsanfrage nach einem Gabelflug geantwortet: Ich solle von so einem Vorhaben doch absehen. Die Wortwahl war, gelinde gesagt, allerdings noch ein wenig anders. Gebucht habe ich letztendlich bei Trauminselreisen und war damit auch sehr zufrieden.
Ich freue mich auf die eine Woche allein. Ich finde es gut, in meinem eigenen Tempo unterwegs sein zu können. Bei der Abreise stehe ich allerdings noch voll unter Strom. Die letzten Reisevorbereitungen hatte ich erst spät in der Nacht beendet. Da fünf Wochen Urlaub ja nur mit Unterstützung der Kollegen funktionieren können und ich als Gegenleistung so wenig wie möglich Unerledigtes zurücklassen wollte, habe ich die letzten Tage noch ziemlich geschuftet und auch noch am Vortag einige unangenehme Verhandlungen geführt, um die meine Gedanken jetzt auch eher kreisen als um die bevorstehende Reise. In Paris muß ich umsteigen. Im Wartebereich kann man draußen das Flugzeug der Air Seychelles stehen sehen, es hat sogar einen Namen, Vallée de Mai steht vorne unter dem Cockpitfenster. Als ich das sehe, setzt dann endlich Urlaubsstimmung ein und Vorfreude macht sich breit. Im Flugzeug habe ich Glück, ich sitze in einer Zweierreihe am Fenster. Das ganze Flugzeug ist komplett ausgebucht bis auf einen einzigen Platz – den neben mir. Was für ein Luxus!
In der Nacht stehe ich auf, um nach Getränken zu suchen. Von Air France kenne ich es, daß auf Langstreckenflügen nachts Getränkewagen zur Selbstbedienung aufgestellt werden, das finde ich hier aber nicht. Eine Stewardess kommt und ich frage sie danach. Sie guckt mich an, als hätte ich gefragt, ob ich mal eine Zeit lang das Flugzeug fliegen darf. Überhaupt gefällt mir das Auftreten nicht, sie wirkt irgendwie genervt und angriffslustig. Ich habe jetzt Urlaub und will mich nicht mehr davon anstecken lassen. Während ich etwas Unfreundliches denke, versuche ich es mit einem möglichst gewinnenden Lächeln und sage, daß ich ja nur frage, weil ich doch solchen Durst habe. Das zieht tatsächlich. Das sei kein Problem, sie könne mir ja gleich mehrere Getränkedosen mit an den Platz geben, wenn ich wolle. Na, geht doch! Ich wandere also mit mehreren Cola light und einer Flasche Wasser zurück und deponiere das alles auf dem Tablett des freien Platzes neben mir. Ein Mann starrt mich von der anderen Gangseite an, vermutlich denkt er, daß ich den Platz für meinen imaginären Freund Harvey gebucht habe, dem ich jetzt auch noch zu trinken bringe.
Da ich ja viel Platz habe, schlafe ich ziemlich gut und die Stewardess muß mich morgens wecken. Als ich aus dem Fenster gucke, sehe ich eine Insel unter uns, die wie ein Fuß geformt ist, die Stewardess sagt, das sei Bird.

Auf Mahe ist es schwül und heiß. Ich muß lange anstehen, dann bekomme ich meine Coco Dmer-Stempel in den Paß. Mit dem Flugzeug geht es weiter nach Praslin. Im Warteraum bekommt man bunte Plastikkärtchen, damit man weiß, zu welchem Flug man gehört. Nach ziemlich langer Wartezeit werden dann auch endlich die gelben aufgerufen. Auf Praslin werde ich im Handumdrehen von einer Masons-Mitarbeiterin in Empfang genommen, an einen Taxifahrer weitergereicht und ab geht die Fahrt zum Jetty. Der Taxifahrer ist nett, er fragt mich aus, warum allein und erstes mal Seychellen und so die üblichen Fragen halt. Dann geht es mit der Fähre weiter nach La Digue. Vor mir sitzt ein junger Einheimischer und kotzt sich die Seele aus dem Leib, obwohl kaum Seegang ist. Ich frage mich, ob er diese Tortur jeden Tag durchmachen muß, der Ärmste.
Auf La Digue nimmt mich wiederum eine Masons-Mitarbeiterin in Empfang, die mich anhand ihres Klemmbretts zielsicher aus den Massen der anderen eintreffenden Gäste herausfischt. Auch sie hat einen Gesichtsausdruck, der auf mich irgendwie blasiert wirkt, keine Spur eines Lächelns. Wieder bin ich betont freundlich, ich habe keine Lust, mich davon anstecken zu lassen, und als wir dann gemeinsam den Anleger entlanggehen taut sie auch auf und stellt mir die selben Fragen wie der Taxifahrer. Sie werde jetzt den Transport für mich organisieren und wünscht mir einen schönen Aufenthalt auf La Digue, und dabei lacht sie sogar. Ein Ochsentaxi wird herbeigewunken, auf dem ein grinsender Rasta sitzt, Richard heißt er. Wieder die gleichen Fragen wie gehabt. Er quatscht munter vor sich hin, der Ochse läuft ein paar Schritte, wird langsamer und bleibt stehen. Richard beugt sich vom Kutschbock nach vorne und schiebt den Ochsen an. Dieser setzt sich für eine Zeitlang in Bewegung, dann wiederholt sich das. Ich muß lachen. So kommen wir ziemlich langsam voran und die kurze Strecke zum Calou dauert länger als sogar ich zu Fuß gebraucht hätte, trotzdem freue ich mich, daß ich nicht mit dem Auto fahre. Außerdem weiß ich jetzt bereits ziemlich viel über Fußball auf LaDigue. Es gibt drei Mannschaften, was mich angesichts der Größe der Insel dann doch erstaunt.

Im Calou angekommen sitzt am Tisch bereits eine Mitarbeiterin von Masons und wartet auf mich. Mir wird die viele Aufmerksamkeit langsam unheimlich, als ob ich der einzige derzeit eintreffende Gast auf La Digue sei. Diese wirkt jetzt allerdings nicht nur blasiert, sie sieht eher aus, als ob sie zum Lachen direkt in den Keller geht und langsam habe ich es ein bißchen satt, hier immer als erste mit dem Freundlichsein anfangen zu müssen. Wer ist hier eigentlich der Gast? Da sei ich ja, sie habe schon auf mich gewartet, meint sie ziemlich knapp. Ich starre genauso ausdruckslos zurück und antworte gar nichts, da scheint sie etwas zu merken, denn jetzt lächelt sie doch, schiebt mir ein Begrüßungsgetränk zu und meint, ich müsse doch ziemlich geschafft sein und solle mich erstmal kurz erholen und wie denn die Anreise gewesen wäre. Schon besser. Sie steht mir jederzeit bei Fragen zur Verfügung, ich bekomme eine Visitenkarte, und auch die Rückbestätigung des Weiterflugs am Sonntag wird sie übernehmen. Das ist gut, aber jetzt möchte ich in mein Zimmer.
Ich bewohne das Appartment im Obergeschoß der Betreiberfamilie. Dazu geht es über eine kleine Brücke, die vermutlich von einem Sieghard gestiftet worden ist, ein Schild weist darauf hin. Das wird fotografiert werden müssen, mein Chef heißt Sieghard, das wird ihn freuen.
Es geht eine steile Treppe hinauf, vor der Eingangstür eine kleine Terrasse, die von keiner Seite her eingesehen werden kann, hier ist die Dusche, eine Außendusche, großartig! Drinnen ist es ein bißchen wie im Backofen, aber die Klimaanlage funkioniert ganz gut. Das Appartement ist sehr schön, es wirkt, als werde es sonst privat genutzt, es gibt eine umfangreiche Bibliothek und einige Dinge, die die Bungalows unten ganz sicher nicht bieten. Zum Beispiel ein echtes Gepardenfell

Man läßt mich allein, ich packe ein bißchen aus und überlege, ob ich jetzt erst die Getränkebeschaffung organisieren soll, oder erst die Außendusche ausprobiere und entscheide mich für Letzteres. Als ich dann schließlich mit wenig mehr als einer Zahnbürste bekleidet im Badezimmer stehe, geht auf einmal die Tür auf und eine junge Frau steht im Raum. Sie müsse mal was nachgucken, sagt sie, sie habe wohl vorhin ihr Handy hier liegengelassen. Schon wegen der Zahnbürste fehlen mir die Worte und ich gucke ihr verblüfft zu, wie sie völlig ungeniert im Raum herumzusuchen beginnt. Auf die Idee, daß mir die Situation vielleicht unangenehm sein könnte, kommt sie offenbar nicht. Das Handy ist aber nicht da, müsse dann wohl woanders liegen geblieben sein. Schönen Tag noch, tschüs. Ich bin gelinde gesagt ein wenig verdutzt und frage mich, ob ich mit so etwas jetzt öfter rechnen muß, das wird sich dann allerdings den Rest der Woche nicht wiederholen.
Anschließend gehe ich einkaufen. Geschäfte habe ich unterwegs bei der Anreise schon gesehen. Ich kaufe viele Flaschen Wasser, etwas Cola und mehrere Seybrew. Die sind lecker, aber leider zu klein. Anschließend sitze ich auf dem Balkon und schreibe SMS nach Hause bis unten die Schiffsglocke zum Abendessen geläutet wird.
Die anderen Gäste machen einen netten Eindruck, es sind alles Deutsche und zwei Italiener. Ein paar Tage später reisen noch zwei junge Franzosen auf Hochzeitsreise an, die neben mich gesetzt werden und die beide richtig witzig sind. Es gibt ein Fischbuffet, genau wie an allen folgenden Abenden. Da aber immer alles so abwechslungsreich zubereitet ist, fällt es gar nicht weiter auf und wird auch nicht eintönig. Nach dem Essen sitzt man noch eine Weile bei Rotwein oder Tee zusammen und alle sind irgendwie rührend besorgt, weil ich allein unterwegs bin. Ich bekomme viele gute Ratschläge, vor allem die Warnschilder an den Stränden nicht zu ignorieren. Zwei Tage vor meiner Anreise sind zwei Deutsche an der Grand Anse ertrunken. Diese Ratschläge sind bei mir durchaus richtig angebracht. Schwimmen ist eine der wenigen Sportarten, die ich noch ausüben kann, deshalb halte ich mich auch für eine ausdauernde Schwimmerin und da Hochmut ja bekanntlich vor dem Fall kommt, kann ich nicht sagen, ob ich mich sonst nicht doch vielleicht hätte verleiten lassen, dort ins Wasser zu gehen.
Am nächsten Tag mache ich mich nach dem etwas enttäuschenden Frühstück auf den Weg zur Anse Source d'Argent. Bewaffnet mit Büchern, Badelaken und Getränken schlurfe ich los. Mich dem Gehtempo der Einheimischen anzupassen fällt mir leicht, das liegt mir. Die meisten, vor allem ältere, grüßen freundlich. In der Kirche mache ich Pause, hier wüten mehrere Ventilatoren, das tut gut. Danach ist es nicht mehr weit bis zum L'Union Estate. 4 Euro kostet der Eintritt, ab dem dritten Mal ist es frei, daher Eintrittskarte aufbewahren. Schön ist es hier, eine Allee geht es entlang, dann rechts der Friedhof der ersten Pflanzer, die nach den Grabsteininschriften aus Mauritius hierher kamen. Ein Stück weiter ein Souvenirladen in dem mir nichts gefällt. Überteuerter Quatschkram, finde ich. Dann eine Kopramühle, wo ein Ochse zu Dekozwecken an den Mahlstein gebunden ist.
In der alten Pflanzervilla haben sie angeblich mal eine Folge von Emanuelle gedreht und es sieht aus, als sei nach dem Abrücken des Filmteams irgendwann in den 70er Jahren dann hier auch nicht mehr viel passiert, vor allem das Dach macht einen dringend überholungsbedürftigen Eindruck. Ein Stück weiter der Schildkrötenfelsen, ein Haufen Schildkröten, die ich eigentlich frei herumlaufend erwartet hatte, sind hier eingepfercht und es wirkt ein bißchen schmuddelig. Weiter Richtung Strand dann die Pferde, von denen ich schon gelesen habe. Daß sie ziemlich rippig sind ist soweit okay, das sind hier die Tropen, da dürfen sie nicht zu fett sein. Die Hufe gehen von außen betrachtet auch soweit. Ich kann das einigermaßen beurteilen und bin da sehr pingelig. Was mir nicht gefällt ist, daß das Sattelzeug einfach so auf einer Stange im Paddock hängt und dick eingestaubt aussieht. Schlecht fürs Leder (und somit für die Sicherheit der Reiter) und auch für die Pferderücken, wenn alles so verdreckt. Daß man es wegen der Luftfeuchtigkeit nicht in geschlossene Schränke hängen kann ist schon klar, aber ein bißchen sorgfältiger könne es schon untergebracht sein. Bis jetzt habe ich für meine 4 Euro Eintritt im Geiste nur genörgelt, aber dann komme ich zum Strand.

Daß ich diesen Strand, den ich von so vielen Bildern kannte und so oft im Fernsehen gesehen habe, nun selbst betrete, kommt mir seltsam unwirklich vor. Es ist recht voll, aber wegen der vielen Granitfelsen gibt es überall Schatten. Ich lege mich zwischen zwei Felsen und habe quasi ein Zimmer mit Ausblick aufs Wasser. Schwimmen kann man nicht richtig und da Schnorcheln ohnehin für mich schwierig ist, suche ich mir zwischen den Korallen eine tiefere Stelle und sitze dann da wie in einer Badewanne. Das machen viele andere Leute auch so, überhall hockt jemand in seinem eigenen Tümpel. Vom Wasser aus wirkt es noch mehr wie Postkarte. Unglaublich. Ich mache ein paar Fotos und es ist gar nicht so einfach, welche hinzubekommen, auf denen keine anderen Menschen durchs Bild laufen. Ich werde mehrfach von Paaren angesprochen, die vor den Felsen fotografiert werden möchten. Also jedesmal hoch von meinem Handtuch und Fotos gemacht, am besten gleich mehrere. Alle strahlen irgendwie, vielleicht alles Honeymooner.
Auf dem Rückweg laufe ich mir ernsthafte Blasen und muß den Rest des Weges barfuß gehen. Ein paar Einheimische finden das lustig, sie lachen und sprechen Kréol, was ich nicht verstehe, aber es ist schon offensichtlich, daß sie über mich reden, aber es klingt überhaupt nicht unfreundlich.
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