Als Standort und Quartier hatten wir die nördlich von La Passe gelegene Domaine de la Pampelmousse gewählt. Der neue Chefkoch, aktiver Gleitschirm-Pilot, hat hier den Schwerpunkt auf flughundfreie Menues gelegt und dafür schon im ersten Jahr einen Pirelli-Stern erhalten.
Nach einer Woche harter Forschungsarbeit konnten wir die ersten Ergebnisse der randomisierten Doppelblindstudie vorweisen.
Aber dann überschlugen sich die Ereignisse....
Über Nacht hatte ein indischer Bautrupp in Kompaniestärke entlang der Hauptstrasse und an den beiden ins Inselinnere führenden Zufahrten meterweise massive Bauzäune aus Takamaka-Brettern aufgebaut. Bei ihrer Arbeit wurden die Arbeiter von ca. 50 italienischen Touristen als Handlanger unterstützt. Nebenbei hatten die Azzurri in einer Ecke des Fußballplatzes ein Lagerfeuer entfacht, wo sie auf Baustahlmatten ihr Arrosto Misto grillten. Großzügig hatten sie dem nicht gerade billigen südafrikanischen Culemborg Blanc de Noir zugesprochen und ihre Zungen wurden langsam schwerer. Als die Vorräte an Getränken zuende gingen, ist die Meute bei Sonnenaufgang johlend und singend in Richtung Lodge zogen. „Bäällooooh, bäällooh e impossibile“ schallte es über die Insel und die neu erstellten Holzwände warfen den Schall hin und her bis sich das Gröhlen auf annähernd Disco-Lautstärke aufschaukelte. Diesen Lärm hielten dann auch die stoischen Taxi-Ochsen in ihren Unterständen nicht mehr länger aus, sie waren ausgesprochen genervt und um ihre verdiente Nachtruhe gebracht worden. Schließlich hatten sie ja auch wieder einen harten Arbeitstag vor sich, es waren jede Menge übergewichtiger Tagesausflügler aus Praslin und Mahe angekündigt worden.Wie auf ein geheimes Zeichen rissen sich die sonst so friedlichen Wiederkäuer plötzlich los und stürmten wutschnaubend durch die neu erstellten Brettergassen in Richtung Hafen. Etwa sieben etwas angegraute Urlauber aus der Schweiz und Österreich - Anflüge seniler Bettflucht hatte sie zu dieser frühen Stunde auf die Strasse getrieben - wurden kalt erwischt u. mussten barfuß um ihr Leben rennen, die Ochsen trieben sie im Galopp bis zur Hafenmole vor sich her.
Auch wir beide gerieten in den Aufruhr, als wir müde und von Mozzies zerstochen von einer nächtlichen Beobachtung in der Papayaplantage gleich hinter der Anse Cocos zurückkamen. Ehe wir richtig gewahr wurden, was Sache ist, fanden wir uns im großen Tumult an der Anlegestelle wieder.
Mit einem beherzten Sprung retteten wir uns zusammen mit einigen anderen „Flüchtlingen“ auf den Motorsegler ‚Silhouette’, der im Hafen von La Passe lag.
Der Rest der Läufer zog es vor, mit einer schwungvollen Ars**chbombe ins Hafenbecken zu brettern, um nicht auf die Hörner genommen zu werden.
Im Unterdeck der ‚Silhouette’ war die Luft stickig u. es roch nach Turnhallen-Umkleideraum. Mit an Bord zwei Mittfünfziger, Karl u. Werner, aus dem schwäbischen Trochtelfingen. Als Vertreter einer renommierten Drahtbürstenfabrik hatten sie auf La Digue beim Grossisten Gregor Arzz einen erfolgreichen Geschäftsabschluß getätigt, ja es war der bisher größte Auftrag, den sie je an Land gezogen hatten. Dabei wurden sie natürlich auch ein wenig vom Glück begünstigt. Und das kam so: Nachdem die normalen, gehärteten Drahtbürsten wegen mißbräuchlicher Verwendung, - ich möchte mich hier jetzt nicht näher darüber auslassen – waffenscheinpflichtig wurden, lagen sie wie Blei in den Regalen des Einzelhandels.
Die schwäbische „Bürstenschmiede“ der beiden Geschäftsreisenden hatte sich daraufhin etwas einfallen lassen und eine teflonbeschichtete XXL-Hardcore-Bürste auf den Markt geworfen, mit Eigenschaften, die das Ministerium für Tenreks, Seeigel und Stachelrochen in Victoria sehr beeindruckte. Nach kurzer Bedenkzeit hatte der zuständige Ministerialdirigent eine Ausnhmegenehmigung für die teflonbeschichtete Version erlassen, ja sogar ein Automatenverkauf an der Anse Marron auf La Digue wurde genehmigt.
Karl u. Werner hätten nun noch einige Tage Zeit gehabt, nach getaner Arbeit die Insel zu erkunden, aber auch sie hatten sich jetzt zur sofortigen Abreise entschlossen.
Werner saß entspannt auf der gepolsterten Bank u. löffelte einen undefinierbaren klebrigen Brei aus einem pinkfarbenen Styroporbehälter, auf dem in fetten schwarzen Buchstaben „Pipistrello-Takeaway“ gedruckt war.
Unvermittelt hielt er seinem Gegenüber die Schale dicht unter die Nase und sagte im breitesten Schwaben-Slang:
„Woischt Karle, du sottscht au ämol ä Flughundmüsli essä. Jo, ä Flughundmüsli, no hättscht au net immer die Problem mit deine Schweissfüüss. Jezt probier’s halt. Woischt, des isch guet, des tuät au dir guet.“
Der Angesprochene schob mit einer abwehrenden Handbewegung und einer zitronensauren Miene das Angebot von sich und versuchte unauffällig seine Füsse unter die Sitzbank zu drücken. Er wechselte schnell zu einem anderen Thema und gab die Titelstory der neuesten Ausgabe der Zeitschrift Ox-Car-Driver zum Besten. Er zitierte:
„Der berühmte Starfotograf und Filmemacher Thor-Sten Onehaa (Le Belize c’est moi!) hat gerade für das Bergsteigermagazin des Bayrischen Fernsehens auf La Digue einen Soft-Erotik-Einteiler abgedreht. Gleichzeitig soll der Film auf die „brikäre finanzielle Situation“ der Baumschulen im Hinterland der Onion-Estate aufmerksam machen.
Das Projekt an der Anse Marron ist trotz massiver Proteste der Drahtbürsten-Mafia gut zu Ende gegangen, allerdings erst nachdem die Drahtzieher als Laiendarsteller mit ins Boot genommen wurden. Die Filmkritiker zeigen sich hellauf begeistert von dem Werk. Voraussichtlicher Sendetermin ist am Muttertag um 00:30 Uhr im dritten Kanal des Münchner Senders. Der Filmtitel lautet: „High-heeled Mama brushes two slow-movin’ Daddies“.
Fast unbemerkt hatte das Schiff inzwischen den Hafen von La Passe verlassen und Kurs Richtung Pralin genommen.
„Was sollen wir jetzt nur machen“, fragte ich mit traurigem Unterton meine Begleiterin und fügte, ohne eine Antwort abzuwarten, hinzu, „als Ausweg aus diesem Dilemma bleibt uns nur, im L’Amouria-Resort in Praslin um Asyl zu bitten. Als Dank für unsere wundersame Rettung könnten wir dann bei dieser Gelegenheit auch noch dem hl. Kerlan und der hl. Georgette ein paar Flaschen Seybrew opfern.“
Rhondas Augen strahlten bei diesem Vorschlag, ein Zeichen, daß sie mit diesem Plan ganz einverstanden war.
Im Hafen von Praslin angekommen, bestellte ich per Handy ein Taxi und während der Wartezeit dösten wir im Schatten der Gebäude auf der Hafenmole.
Nach etwa zwanzig Minuten bog unvermittel u. geräuschlos ein mausgrauer Maybach 57 um die Ecke, auf dem Dach leuchtete hell ein gelbes Taxi-Schild in der Morgensonne. Der Taxifahrer, ein junger Seychellois, schätzungsweise knapp dreissig Jahre alt, stieg aus. Er sah mein verdutztes Gesicht mit weit offenstehendem Mund und sagte in gebrochenem Deutsch:
„Nein, nischt wie sie denken Monsieur, isch bin nicht Mister Bill Geiz. Mon appel Marcel, habe die kurze Maybach günstig in Deutschland von meine Freund Wolle bekomme. Abe getauscht 1948 Dosen Seypack Thunafisch mit abgelaufene Verfalldatum gegen Auto. Wolle hat sich zugelegt getunte TATA-Bus. Ist besser für sein Business.“
Wir sanken in die cremefarbenen Ledersitze im Wagenfond und fingen im Luftzug der Aircondition an zu frieren. „Fahren sie uns bitte zum L’Amouria“ sagte Rhonda zum Fahrer „und regeln sie bitte, bitte die Klimaanlage ein wenig herunter“. Marcel tat wie geheißen und unter sanftem Rauschen beschleunigte die 12-Zylinder-Limousine Richtung Vallee de Mai.
Fünfzehn Minuten später bogen wir auf die Zufahrtsstraße, die zum L’Amouria führt und langsam und majestätisch rollte der Luxusschlitten vor der heruntergelassenen Schranke aus. Ein kleiner schmächtiger Kerl in schwarzer Uniform, mit akkurat gedämpften Bügelfalten in der viel zu kurzen Hose, hob die Hand und machte uns ein Zeichen zum Aussteigen. Wir verließen die schützende Hülle des Maybach u. traten zu ihm vor die Schranke.
„Und wenn ihr euch auf den Kopf stellt, hier kommt ihr mit Maybach nicht rein, nur mit alte Golf Cabrio“ sagte der Wächter mit spitzer Stimme. „Aber wir möchten doch nur Asyl“, entgegnete ich, „schließlich haben wir doch schon unsere ganzen Erparnisse als Honorar dem Konsul übergeben, sogar ein Couche-Voucher können wir vorweisen. Wir wollen jetzt sofort hier rein, machen sie bitte die Schranke auf !“ Mit grimmigem Gesichtsausdruck trat ich näher an den Wachmann heran, der aber packte mich beherzt am Oberarm.
Da wachte ich auf.
„Willst du nicht aufstehen?“, hörte ich die Stimme meiner Frau und sie rüttelte an meinem Arm. „ Ja, gleich, murmelte ich schlaftrunken“. Noch halb benommen setzte ich mich auf den Bettrand und schlich ich mich dann langsam ins Bad.
Im Vorbeigehen fiel mein Blick auf den Kalender: 1. April, nur noch 9 Tage bis zum Urlaub.
Ich bin mir sicher, es werden zwei schöne Wochen auf den Seychellen werden....
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Die Figuren in diesem Märchen sind rein fiktiv. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Firmen und Institutionen sind rein zufällig und dennoch voll beabsichtigt.
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Als langjähriger Lese-Gast in diesem Forum möchte ich hiermit einen kleinen Beitrag leisten. Als Dank an die aktiven Forumsmitglieder für die vielen Tipps und auch für die Unterhaltung, die mir schon oft ein heiteres Grinsen entlockt hat.
Als hoffnungslose Seychellen-Junkies haben meine Frau u. ich erkennen müssen, daß es kein dauerhaftes Wegkommen von dieser Sucht gibt. Nach 11 Jahren Seychellen-Abstinenz haben wir nun einen Rückfall erlitten und werden am 9. April von Frankfurt aus nach La Digue und Praslin aufbrechen.
LG Gerd
