Gereist bin ich mit meiner Tante und meinem Onkel. Mein Onkel ist Réunionnais und Tonton ist der créolische Ausdruck für Onkel. Eigentlich nenne ich ihn nicht so, aber ich möchte hier keine Klarnamen Dritter nennen.
Wir sind schon viel zusammen im indischen Ozean herumgereist. Beide sind ausgesprochen unkonventionelle Menschen und besonders mein Onkel verfügt manchmal über einen Humor, an dem Grubi seine helle Freude hätte

Der Bericht ist noch länger als der zu La Digue, also sagt hinterher nicht, ich hätte Euch nicht gewarnt.

Noch etwas zu Mayotte. Es ist die Madagaskar am nächsten gelegene Komoreninsel, die sich per Volksentscheid (wann weiß ich gerade nicht) entschieden hat, zu Frankreich gehören zu wollen und 2011 nun von einem Territoire d'outre-mer nun in ein Département d'outre-mer umgewandelt wird, also vollberechtigt zu Frankreich gehören wird. Das war auch der Grund, weshalb wir uns 2008 für diese Reise entschieden haben, denn die war ohnehin schon enorm teuer und man darf davon ausgehen, daß es ab 2011 wohl nicht billiger werden wird. Die Währung war von Anfang an schon Euro.
Es gab 2008 eigentlich nur zwei dem europäischen Standard entsprechende Hotels. Wir haben uns für den Jardin Mahorais (inzwischen nennen sie sich Maoré) entschieden, und falls irgendjemand meint, dieser Bericht klinge fast wie eine Werbeveranstaltung, dazu stehe ich, dies Hotel ist ein Traum!
http://www.hotel-jardin-maore.com/
Die Insel hat die Form eines auf dem Kopf stehenden Seepferdchens, deshalb ist dies auch das nationale Symbol, und ist von einem doppelten Korallenriff umgeben. Der Eigenname lautet Maoré, die Menschen nennen sich Mahorais und die Sprache heißt Shimaoré und enthält viele Swahili-Anteile, so habe ich mir sagen lassen.
Hier nochmal ein Link zu einer (wie ich finde) sehr guten Seite, der man viel Informatives über Mayotte entnehmen kann, falls weitergehendes Interesse besteht.
http://www.dilag-tours.ch/madagaskar-le ... ayotte.pdf
Falls sich hier irgendjemand mit Mayotte besser auskennt als ich und Fehler entdeckt, gerne melden.
Wo Mayotte überhaupt liegt:
Zwischen Äquator und dem Wendekreis des Steinbocks.

27.10.-02.11.2008 Mayotte
Montagmorgen, heute fliegen wir nach Mayotte. Im Flugzeug sitzt eine ältere Mahorais neben mir, man erkennt sie an der typischen Art den Pareo vor der Brust zu knoten, das ist die übliche Tracht auf Mayotte und abgesehen vielleicht von ganz jungen Mädchen tragen sie auch alle. Viele tragen auch eine Gesichtsmaske aus Sandelholzpaste, die je nach Anlaß auch mal in komplizierten geometrischen oder floralen Mustern aufgetragen wird. Diese hier trägt keine, dafür aber eine starre Miene zur Schau. Sofort beim Start holt sie den Koran heraus und beginnt halblaut, aber umso inbrünstiger zu beten. Irgendwann höre ich das Gemurmel nicht mehr, es ist wolkenlos unter uns und wir überfliegen Madagaskar. Man kann alle Inseln genau erkennen und als wir Ste. Marie überfliegen, würde ich am liebsten abspringen. Ich denke, daß ich eigentlich in der falschen Reihenfolge gereist bin, denn das Buch, das ich gerade lese, spielt hier, zwischen den Seychellen und Nosy Boraha, nur entwickelt sich die Handlung geografisch gesehen genau in entgegengesetzter Richtung.
Der Flug dauert ca. eineinhalb Stunden, dazu kommt aber eine Stunde Zeitverschiebung rückwärts, so daß wir noch früh am Vormittag auf Mayotte landen. Wir sind jetzt wieder viel dichter am Äquator und es ist schwülwarm.
Am Flughafen werden wir abgeholt, der Fahrer des Hotels heißt Ahmed, er verpasst meiner Tante und mir zwei schon leicht verwelkt aussehende Ylang-Sträußchen mit Sicherheitsnadeln zum Anstecken, das gehört wohl zum Begrüßungspaket. Ahmed hat keine Schnürsenkel und seine ausgelatschten Schuhe erinnern an Charlie Chaplin. Tonton versucht Kréol mit ihm zu reden, aber das versteht er nicht. Was wirklich toll an Tonton ist, er ist genauso neugierig wie ich. Mit ihm zusammen muß ich nie das Risiko eingehen, mir dumme Blicke oder reservierte Antworten einzuhandeln, das Fragenstellen übernimmt immer er. Die Leute merken meistens recht schnell, daß sein Interesse aufrichtig und nicht voyeuristisch gemeint ist, so auch Ahmed. Er freut sich sichtlich über das Interesse an seiner Familie und erzählt bereitwillig wie er so lebt. Wer in einem mahoraisen Haushalt die Hosen anhabe, die Frau oder der Mann, fragt Tonton. Natürlich der Mann, sagt Ahmed, aber er grinst irgendwie verlegen dabei. Auf die Frage, weshalb Mayotte sich als einzige Komoreninsel für den Verbleib bei Frankreich entscheiden hat, antwortet er allerdings reserviert, so sei halt das Ergebnis der Volksabstimmung gewesen. Na, soviel wußten wir schon. Die Frage ist, warum?
Mayotte besteht aus zwei Inseln, Petite und Grande Terre, zwischen denen man sich mit Fähren bewegt. Der Flughafen liegt auf Petite Terre in unmittelbarer Nähe der Landeshauptstadt Dzaoudzi, davon sehen wir aber nicht sehr viel. Unweit liegt in einem eingesunkenen Vulkankrater der Lac Dziani, daß dieser „fady“, also heilig, ist, zeigt die Nähe zu Madgaskar, auch dort ist das Belegen von zahlreichen Orten mit Tabus fester Bestandteil der Kultur. An solchen Orten wohnen die Seelen der Ahnen.
Ich hätte den See gern gesehen, aber unser Hotel liegt so weit am anderen Ende von Grande Terre, daß wir uns die Überfahrt im Laufe der Woche nicht noch einmal antun wollen.
Die Fähren tragen alle den selben Namen, Salama Djema, wir benutzen die Nummer III. Die Fähre ist gestopft voll mit Tieren, Autos, Gerümpel und Menschen, dazwischen irgendwo unser Gepäck, dessen Abtransport aufs Unterdeck wir mißtrauisch beäugen. Wir ergattern irgendwie noch Plätze und ich schaue mir die Leute um uns herum an. Die Menschen hier sind keine Creolen, das hier ist eindeutig Afrika. Ihre Hautfarbe und Gesichtszüge wirken homogen und zeigen keinerlei Anzeichen irgendeiner Rassenvermischung. Überdies sind sie soweit ich mitbekommen habe, alle Moslems und ich frage mich wieder, was nun genau diese kleine Insel bewogen haben kann, sich von der islamischen Republik der restlichen Komoreninseln abzuspalten. Auf Grande Comore fragt man sich das offenbar auch, denn dort bezeichnet man die Mahorais als die „von der Republik verdorbenen Kinder“, womit natürlich Frankreich gemeint ist. Das wiederum wissen die Mahorais ganz genau, nicht umsonst trägt ihr Landeswappen den Schriftzug „Ra Hachiri“, was man mit „Wir sind wachsam“ übersetzen kann.
Was Frankreich eigentlich für ein Interesse daran haben kann, aus diesem TOM ein DOM zu machen, erschließt sich mir ebensowenig. Lediglich, einen Fuß auf der Türschwelle der islamischen Republik zu haben, kann ich mir als Grund vorstellen. Daß außerdem eine Abordnung der Fremdenlegion auf Mayotte stationiert ist werde ich übrigens erst später hier im Forum lesen.
In der Metropole ist man keineswegs uneingeschränkt begeistert über das neue Departement. Es gilt in Frankreich nach wie vor das „Droit du Sol“ was bedeutet, wer auf französischem Boden geboren ist, erhält automatisch die französische Staatsangehörigkeit. Man rechnet für Mayotte mit einer Bevölkerungsexplosion, da man hinter vorgehaltener Hand munkelt, es würden dann natürlich möglichst viele schwangere Frauen der islamischen Komoreninseln von ihren Familienangehörigen nach Mayotte gebracht, um dann dort zu entbinden.

Auf der anderen Seite auf Grande Terre legt die Fähre in Mamoudzou an. Dort angekommen sind wir doch mehr als erfreut unser Gepäck wiederzusehen, dann geht es bestimmt noch eine Stunde lang mit dem Auto weiter, bis wir ganz im Süden an unserem Hotel angekommen sind. Ich bin zu müde, um die Landschaft aufnehmen zu können. Alles ist tropisch grün und mir fällt nur die große Anzahl von Bananenpflanzen auf. Alle sind ziemlich durstig und Ahmed hält mit uns an etwas, das kein Uneingeweihter jemals als Laden erkannt haben würde. Dort gibt es Cola noch in Glasflaschen und die Light-Version ist hier noch gar nicht angekommen. Dafür haben sie zuckersüßes Bonbon Anglais, eine gar köstliche Limonade, deren Geschmack zugegebenermaßen allerdings an keine auf diesem Planeten vorkommende Frucht erinnert und die gut geeignet ist, sich einen gepflegten Diabetes anzutrinken. Die meisten hier verkauften Getränke stammen aus den Star-Brauereien auf Madagaskar, unter anderem das Three Horses Beer (kurz THB), das auf meiner persönlichen Beliebtheitsskala noch weit vor Dodo und Seybrew rangiert und das es bis vor ein paar Jahren noch in der sogenannten „Kolonialgröße“ gab. Damit konnte man sich in der schwülen Hitze in kürzester Zeit auch eine Stadt wie Hell Ville schön trinken!

Danach ist es nicht mehr weit. Es geht einen holprigen Dschungeplfad entlang, der abwärts führt bis er auf einem kleinen Parkplatz endet, mitten drauf ein riesiger Baobab, direkt voraus ein Steg, der auf den indischen Ozean hinausführt.

Wir sind im Jardin Mahorais angekommen. Über eine niedrige Hängebrücke geht es in die Hotelanlage vorbei an Schildern mit Verhaltensregeln im geschützten Bereich des Strandes von N'Gouja und zum Umgang mit den Schildkröten, die hierher zur Eiablage kommen und in der Lagune fressen. Das Hotel ist fast komplett aus Naturmaterialien gefertigt und der Rest ist gut kaschiert, es fügt sich alles in eine Art tropischen Garten ein als sei es hier natürlich gewachsen.

Das Hotel befindet sich unter der Leitung zweier französischer Brüder, alles wirkt professionell und gut organisiert und Check-in ist schnell erledigt. Zur Begrüßung nehmen wir in der Lobby Platz und es gibt einen Cocktail mit irgendetwas Hochprozentigem darin, das mich völlig ausknockt.
Dann erscheint eine junge Mahorais, nicht im Pareo, sondern in einem geschäftsmäßig aussehenden Kostüm das mich an Masons auf La Digue erinnert, und bringt uns zu unseren Pavillons. Die tragen alle Pflanzennamen, nur der für mich vorgesehene heißt Grenelle und ich grübele lange, was das für eine Pflanze sein mag, bis mir Tonton erklärt, daß es ein Quartier von Paris ist. Man lernt ja nie aus.
Grenelle:

Die Innenausstattung ist ebenso aus Naturmaterialien gefertigt und alles sieht sehr ansprechend aus. Es gibt eine Klimaanlage und einen großen Ventilator. Und natürlich hat das Bett ein Moskitonetz, das ich auch immer sorgfältig geschlossen halten werde, denn auch auf Mayotte gab es zahlreiche Fälle von Chikungunya und angeblich soll die Epidemie ja auf den Komoren auch ihren Ursprung gehabt haben. Einen Safe gibt es auch. Lediglich die Schränke sind ein recht klein, sogar für mich als Einzelperson ist der Platz ein bißchen knapp.
Anschließend gehen wir in den Pavillon nebenan. „Coco“ ist für meine Tante und Tonton vorgesehen und von der Ausstattung her identisch. Während meine Tante das Ganze in Augenschein nimmt, lehnen Tonton und ich am Verandageländer und grinsen uns an. Es macht überhaupt keinen Sinn, sich mit Coco anzufreunden. Ein Bungalow mit Meerblick war bestellt, und dieser hier liegt definitiv nicht am Wasser. Eine nicht erbrachte Dienstleistung, obendrein ohne triftigen Grund und angemessene Entschuldigung, das hat auf meine Tante die selbe Wirkung wie der Vollmond auf den Werwolf. Eine für Außenstehende furchterregend wirkende Verwandlung setzt ein, die meist umgehend zum Erscheinen eines Verantwortlichen mindestens auf Geschäftsführerniveau führt. Die mahoraise Angestellte zeigt überraschend viel Widerstandskraft. Sie seien ausgebucht, patati-patata. Meine Tante legt nach. In ihrer gesamten Zeit als Cadre einer internationalen Hotelkette sei ihr ja wohl so etwas … Wie durch Zauberhand erscheint einer der beiden Hoteliersbrüder. Ein Bungalow les pieds dans l’eau, ja, das war aber ein Missverständnis bei der Buchung, selbstverständlich hat man für Madame … Am Ende der Woche wird er zu meiner Tante sagen, mit ihr liefe in seinem Hotel sicher manches anders. Es ist nicht ganz eindeutig, ob es als Kompliment gemeint ist.
Ich bleibe in meinem Bungalow. Der hat zwar die Füße nicht im Wasser, dafür aber einen großen, stark duftenden Frangipanier direkt vor der Nase und ein Bambusgebüsch gleich nebendran, in dem eine Gruppe weiblicher Lemuren mit Nachwuchs in allen Altersstufen haust. Kleine Bananen und Kekse bilden bald eine solide Freundschaftsbasis zwischen uns und ich darf die Babies nicht nur angucken, sondern auch vorsichtig mit dem Finger berühren.

Süß sind sie, aber sie kacken mir die ganze Terrasse voll, alles voller Tretminen.
Bonbon Anglais mögen sie auch:

Die Männertruppe dazu lebt getrennt von den Weibern weiter unten am Wasser und balanciert meistens auf der Einzäunung herum, immer Ausschau haltend nach irgendwas Fressbarem. Manchmal, wenn man im Sand liegt und döst und irgendwann die Augen aufmacht, sitzen sie plötzlich wie die Hühner auf der Stange da und starren einen an. Das ist irgendwie unheimlich.
Nach dem Auspacken geht es an den Strand. Selbst von Grenelle aus ist es nicht mehr als einmal lang hinschlagen (was auch beinahe passiert, denn es dämmert schon). Das Wasser ist badewannenwarm, keine Korallen vorn am Ufer, man kann einfach reinlaufen bis ins Tiefe. Ich dümpele im Wasser, hinter mir geht die Sonne unter und wirft ein oranges Licht auf den Strand von N’Gouja. Weit draußen sind ein paar Schnorchler zu sehen, am Strand ist kein Mensch. Je weiter man draußen im Wasser ist, desto grandioser der Anblick. Der menschenleere Strand, die gigantischen Baobabs, dazu die Seychellen-Flughunde, die hier größer sind als auf den Seychellen selbst (oder mir zumindest so vorkommen) und die mit lautem Geschrei zwischen den Baobabkronen hin und her fliegen. Die Hotelanlage, die direkt hinter der ersten Baumreihe liegt, kann man vom Wasser aus gar nicht sehen, so gut fügt sich das alles in die Natur ein. Man könnte meinen, man sei allein auf einer einsamen Insel, es hat irgendwie was von Jurassic Park und ist unfassbar schön! Ich kann mich erst losreißen, als aus dem am dichtesten am Wasser gelegenen Bungalow Gemecker kommt, ich solle rauskommen, sonst bekäme ich keinen Aperitif.
