![Wink :wink:](./images/smilies/icon_wink.gif)
Es muß ja nicht immer eine Fernreise sein, manchmal lassen sich langgehegte Wünsche auch ganz in der Nähe erfüllen. Die Orte, die wir besucht haben, so unterschiedlich sie sind, haben alle zwei Dinge gemeinsam: Sie sind Teil der Lebensgeschichten von Personen, für die wir ein besonderes Interesse haben, das zumeist durch frühere Reisen geweckt wurde, und sie liegen alle in England. Was nicht verwunderlich ist, da Großbritannien mit seinem weltumspannenden Empire fast überall in irgendwie vertreten ist, egal in welchen Winkel der Welt man reist.
Daher wird der Bericht kein Reisebericht mit Anspruch auf Vollständigkeit der vorhandenen Sehenswürdigkeiten sein, sondern nur ein paar Streiflichter werfen auf unsere kurze Herbsttour durch London und Dorset.
Im Gegensatz zu Berlin hat London eine anständige Anzahl von Flughäfen, wie es sich für eine Metropole gehört, nämlich vier. Drei davon fallen einem sofort ein: Heathrow, Stansteadt, Gatwick. Und der vierte? Ist London City, LCY.
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Diesen Flughafen fliegen nur kleine City Hopper an, Typ Embraer und solche. Die Piloten haben eine Sonderlizenz erwerben müssen, damit man am Ende der ins Wasser gebauten Landebahn nicht genau da hineinfällt. Nach dem Aussteigen hat man herrlich kurze Wege.
Beim Anflug hat man eine deutlich niedrigere Anflughöhe als bei den weiter außerhalb gelegenen Flughäfen und deshalb eine tolle Sicht auf die City. Vorausgesetzt, die Wolken hängen nicht tiefer als die Wolkenkratzer, womit Ende September in England durchaus zu rechnen ist. Aufgrund starker Verspätung kann uns das egal sein, es ist sowieso schon dunkel, als wir landen.
Erste Erfahrung mit der überwältigenden Herzlichkeit der Engländer ist der Erwerb von zwei Oyster Cards, denn wir haben ja kein Auto, sondern fahren Tube. Die Verkäuferin läuft mit uns fast bis auf den Bahnsteig, um sicherzustellen, daß wir uns zurechtfinden.
Das Hotel ist eigentlich einfach zu finden, wir verfahren uns trotzdem, was sich sogar als vorteilhaft herausstellt, denn die falsche U-Bahn-Station liegt dem Hotel näher als die Waterloo Station, in der wir eigentlich aussteigen wollten.
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Abendessen erledigt sich ebenfalls direkt auf der Westminster Bridge. Gegen die gigantisch großen und unfaßbar köstlichen Hotdogs, die hier verkauft werden, können die amerikanischen, auch die New Yorker, direkt nach Haus gehen. Wir verdrücken die Teile gleich auf der Brücke zwischen dem Big Ben und dem London Eye.
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Unser Hotel, das Westminster Park Plaza. Es liegt direkt am anderen Ende der Brücke. Es ist genauso teuer wie das klingt, aber ich habe da als Frühbucher und mit Booking-Genius-Level 2 einen Schnapper geschossen.
Die riesige Lobby
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mit Sitzmöbeln, die förmlich dazu einladen, Facebook zu öffnen.
![Wink :wink:](./images/smilies/icon_wink.gif)
![Bild](https://s20.directupload.net/images/241230/pdggngqo.jpg)
Das Zimmer ist klein, aber auch sehr schick, mit Badewanne und allem. Die Pflegeprodukte sind, surprise, surprise, vom selben Hotelleriebedarfsproduktehersteller wie im Staypineapple in San Francisco im Juli. Und weil der Geruchssinn ja der intensivste aller Sinne sein soll, weckt das sofort Erinnerungen.
Das Frühstücksbuffet ist gut bis sehr gut und wir fühlen uns sehr wohl. Es ist der ideale Startpunkt für alle Ausflüge, weil zwischen der Waterloo Station und dem Westminster Pier liegt und man sich je nach Ziel aussuchen kann, welche Station man benutzen möchte.
Weil man, wie in allen Metropolen der Welt mittlerweile, ja nix mehr spontan unternehmen kann, sondern alles vorab planen und buchen muß, um nicht fünf Stunden Schlange zu stehen, ist der Zeitplan, wann wir was machen, schon grob vorgegeben. So beginnen wir den ersten Tag in der direkten Nachbarschaft mit der Westminster Abbey, für die wir einen Timeslot um 11 Uhr haben.
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Der Himmel ist bewölkt, aber das ist sogar eher vorteilhaft, denn beim Überqueren der Westminster Bridge heben sich die prächtigen Houses of Parliament vor dem dunklen Himmel viel besser ab, als das bei Sonnenschein der Fall gewesen wäre.
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Vor allem die vergoldeten Wetterfahnen
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Die Gräber von Maria Stuart, Königin Mary und ihrer Schwester, der ersten Elisabeth, ziehen wohl die meisten Besucher an. Die beiden Schwestern teilen sich einen Raum, Maria Stuart liegt nebenan, damit wenigstens im Jenseits kein tödliches Gezänk mehr ist.
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Die unglaublichen Menschenmassen können der Imposanz der Abtei keinen Abbruch tun. Es ist einfach ein unglaublicher Ort, selbst wenn die von mir geschätzten Dichter hier nicht lägen.
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Denn vor allem deshalb sind wir hier, wegen der Poets‘ Corner in der die berühmtesten englischen Poeten begraben liegen. Eigentlich sogar wegen eines bestimmten.
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Rudyard Kipling, den die meisten wegen des Dschungelbuches kennen, andere wegen seiner imperialistischen und als rassistisch interpretierten Gedichte canceln möchten und noch sehr viel mehr wegen seiner unglaublichen Ideenfülle, seinen philosophischen Betrachtungen und phantasievollen Kurzgeschichten bewundern. Mein allerliebster Schriftsteller, schon seit meiner Kindheit, hier liegt er begraben und die Grabplatte habe ich bei meinem ersten Besuch hier vor vielen Jahren einfach nicht gesehen.
Leicht ist es auch heute nicht, die Platten sind teilweise vollkommen von den Füßen der Besucher verdeckt, man muß Geduld haben, bis die Menschen sich weiterbewegen.
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Dann aber schnell. Jetzt wenigstens einmal den heiligen Ort mit den Fingern berühren.
Ein älterer Herr, macht es mir direkt nach, die Umstehenden schauen uns amüsiert zu. Auf diese Weise finden Gleichgesinnte ja schnell zusammen. Wir erzählen uns kurz, was wir am liebsten lesen, natürlich ist es bei ihm, als Engländer, „If“, Kiplings wohl bekanntestes Gedicht, das Generationen junger Männer zur Charakterbildung auswendig lernen mußten.
https://www.youtube.com/watch?v=gbq6k33qiaw
Direkt nebenan liegen Dickens und Thomas Hardy, etwas weiter entfernt eine Gedenktafel der Trench Poets, die mit ihren Romanen und Gedichten ihre traumatischen Erfahrungen in den Schützengräben Flanderns verarbeiteten und damit der Behauptung Recht geben, daß großes Leid oft große Kunst hervorbringt. Einigen von ihnen werden wir später in Dorset indirekt noch wiederbegegnen.
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Wir bleiben ziemlich lange in der Abbey, der wenn man einmal drin ist, ist die Aufenthaltsdauer zum Glück nicht begrenzt.
Nicht begegnen werden wir Willy und den anderen Windsors, die besuchen wir vielleicht beim nächsten Mal in einer adäquaten Stadtrundfahrt. Ist das nicht herrlich britisch?
![Very Happy :D](./images/smilies/icon_biggrin.gif)
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Für den heutigen Nachmittag hat sich der Mister das mittelalterliche London als Wunschziel ausgesucht und möchte zum Tower, ein noch größeres historisches Schwergewicht als die Westminster Abbey. Also zücken wir unsere Oyster-Cards und hinein in die Tube.
Eine Königin sehen wir unterwegs aber trotzdem noch, die Statue oberhalb des Westminster Piers stellt Boudica, die Keltenkönigin, und ihre Töchter dar:
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Am Tower Hill steigen wir aus. Das ist zwar auf der selben Themseseite, aber den besten Blick auf das Gebäude als Ganzes hat man vermutlich von der Plattform neben der Sonnenuhr:
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Entlang der Überreste der römischen Stadtmauer bewegt man sich dann unter der Schnellstraße durch und weiter parallel zum Tower Richtung Tower Bridge immer entlang des Burggrabens.
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Wir haben zwar darauf verzichtet, den Tower von innen zu besuchen, aber dennoch kann man im Schatten des imposanten Gebäudes natürlich nicht verhindern, daß Heinrich VIII und seine Entourage einem im Kopf herumspuken. Wobei spuken es schon ganz richtig trifft, denn ich muß bei seinem Namen eigentlich immer zuallererst an diese Szene hier denken und werde den Rest des Tages den Ohrwurm dann auch nicht mehr los.
Second verse, same as the first
![Laughing :lol:](./images/smilies/icon_lol.gif)
https://www.youtube.com/watch?v=pZxIAN6don4
Und dann stehen wir auf der Brücke. Sogar die Sonne hat sich für den Moment herausgetraut und die Londoner Skyline mit ihrer faszinierenden Mischung aus Mittelalterlichem und Futuristischem breitet sich vor uns aus.
![Bild](https://s20.directupload.net/images/241230/7o7d52qx.jpg)
Der Mister ist begeistert, die Brücke ist für ihn ungefähr so symbolträchtig für die Stadt London wie der Eiffelturm für Paris, und so wie ich einmal Kiplings Grabplatte anfassen wollte, so wollte er gern einmal über die Brücke laufen.
Das gelingt uns aber nur zur Hälfte, denn die Tower Bridge ist eine Zugbrücke und genau als wir uns der Mitte nähern, begehrt ein Segelschiff mit hohen Masten Durchlaß.
![Bild](https://s20.directupload.net/images/241230/7qaj8gub.jpg)
Ich bin noch näher an der Seite, von der wir gekommen sind, als der Warnton erklingt, während der Mister schon mitten auf dem Fluß ist. Für einen kurzen Moment ist er die letzte Person, die noch auf dem Fußweg steht. Es wäre ein einmaliges Foto geworden, von ihm ganz allein auf der ansonsten menschenleeren Tower Bridge.
Das strenge „Behind the white line, Lady“ des Wachmanns veranlaßt mich dann aber zum sofortigen Rückzug. Von dort aus, wo ich nun stehe, habe ich keine Fotoposition mehr und der Mister ist inzwischen auch schon in seiner Sicherheitszone auf der anderen Seite angekommen.
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Alle Handys recken sich in die Luft wie bei einem Konzert, als die Brückenteile sich heben. Danach finden wir wieder zusammen und beobachten, wie sich der Stau der schwarzen Taxis und roten Doppeldeckerbusse wieder auflöst. Englischer wird’s heute sicher nicht mehr.
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Je ein Wunsch erfüllt, Kipling und die Tower Bridge. Morgen begeben wir uns erneut auf die Spuren einer Person, der unsere Bewunderung gilt, dann geht’s weiter mit Geschichten aus dem Paulaner... äh, Botanischen Garten.