https://www.youtube.com/watch?v=SCkGVBV60PU
Also ging die Sache 2023 heimlich in Planung. Wo wohnen wir, was unternehmen wir, wie lange, welche Jahreszeit? Es gibt ja da dieses Zitat von Mark Twain, der kälteste Winter, den er je erlebt habe, sei ein Sommer in San Francisco gewesen. Und dann immer dieser Nebel…
Mit Hilfe des Reisebüros des Vertrauens war schnell ein grobes Gerüst gebaut. Welcher Stadtteil ist für eine dann 83jährige am angenehmsten, von wo aus kommt man fußläufig am besten überall hin, wo ist es eventuell höher kriminalitätsbelastet als anderswo.
Die Entscheidung fiel auf Juli als den angeblich wärmsten Monat des Jahres. Ein Hotel wurde empfohlen, Flüge gebucht. 6 Nächte, also 5 Tage vor Ort, die es jetzt zu füllen galt, ohne sich vorher absprechen zu können, denn es sollte ja eine Überraschung sein.
Alcatraz war ein Muß für die Mutter, das wußte ich, natürlich Cable Car fahren, und die Fisherman’s Wharf mit den Seelöwen. Für mich mußten es die Muir Woods sein, mit dem V.C. Morris‘ Gift Shop würde ich meinen nächsten Frank Lloyd Wright zu sehen bekommen, China Town, Cable Car, und nicht zuletzt würde ich, auf gewisse Weise sogar das gute alte Tonga wiedersehen, von dem ich mich innerlich ja schon verabschiedet hatte… San Francisco, eine Stadt voller Möglichkeiten.
Irgendwann fiel mir auf, daß wir ja über den 4. Juli vor Ort sein würden. Die Gelegenheit, das Feuerwerk zu sehen, wollte ich schon nutzen, aber die passende Location dafür zu finden, war schwieriger als gedacht. Die Bars mit der besten Sicht auf den Hafen nehmen keine Reservierungen an, was natürlich ein schöner Trick ist, denn so zwingt man die Leute dazu, frühzeitig zu erscheinen und ab dann zum stundenlangen Konsumieren, um bis zum Beginn des Feuerwerks um 21:30 Uhr den Tisch zu halten. Letztlich fand ich aber auch da was ich suchte.
Ich freute mich wie Bolle, und die Mutter auch, als sie die Reise unter dem Weihnachtsbaum fand, verpackt in ein Reise-Necessaire mit passendem Golden Gate-Bridge-Design, das es bei einem Flug im November zufällig als Goodie gegeben hatte. French Bee verteilt gewohnheitsmäßig solche Geschenke mit Motiven der von ihnen angeflogenen Ziele.
Zwei Tage vorher reiste die Mutter an und ich erhoffte mir von den hier verbrachten Tagen gleich eine gewisse Desensibilisierung mit Berlin sozusagen als San Francisco-Trainingscenter. Zwar ist die Heimatstadt meiner Mutter, Hannover, innenstadtmässig inzwischen auch reichlich heruntergekommen, die Menge an Obdachlosen, die anläßlich der Expo 2000 vor knapp 25 Jahren in einer radikalen Säuberungsaktion unter die Brücken der Flüsse verdrängt wurden, hat sich seither aber nie wieder auf ein berlinähnliches Niveau gehoben. San Francisco soll, was Menschen ohne festen Wohnsitz betrifft, beispiellos sein, aber ich hatte meine Mutter unterschätzt. Ach was, sie kenne das doch selbst noch von früher, mit denen, die vor dem Geschäft hausten, in dem sie früher tätig war, hätte man freundlichen Umgang gepflegt.
Ich steige also hoffnungsvoll ins Flugzeug, daß die Horrorgeschichten, die ich über die Wohnungslosensituation in SFO gehört habe, meine Mutter nicht verschrecken werden.

Wir fliegen mit Swiss und ich habe uns für den Hinflug Plätze mit Extra Legroom gegönnt. Zu Beginn des Fluges, als alle sich noch sortieren, laufen ab und zu Kinder quer vor unseren Plätzen hin und her und stolpern über unsere Füße. Später legt sich das und wir haben es ganz gemütlich. Ich nutze die Langstrecke wieder für Filme, die noch ewig lang nicht im Fernsehen kommen werden und die ich mir nicht unbedingt im Kino anschauen wollen würde. Ich entscheide mich für Oppenheimer, finde ihn super, sogar Einstein, den ich für ein wenn auch geniales Charakterschwein halte, kommt in dem Film weise rüber. Die Geschichte um den Oppenheimer-Prozeß war mir so im Detail auch nicht geläufig und ist sehr spannend.
Zwischendurch schlafen wir auch mal ein bißchen, aber so richtig kommt man gar nicht dazu, denn Swiss mästet uns nach allen Regeln der Kunst. Das Essen ist hervorragend, sehr schmackhaft. Es gibt eine große Getränkeauswahl und später Selbstbedienungswagen mit Schweizer Käse und Gebäck. Zwischendurch werden Becher mit Mövenpick-Eis verteilt. Kaum hat man das aufgegessen, kommt schon das Frühstück.
In San Francisco ist es früher Abend als wir landen. Die Einreise läuft problemlos, eine kurze Frage nach dem Grund der Reise, ein Foto, und wir sind drin. So, sage ich zur Mutter, so weit warst Du noch nie von zuhause weg, wie jetzt gerade.
Wir verzichten auf irgendwelche Experimente mit dem BART, sondern nehmen ein Taxi. Der Fahrer ist freundlich aber schweigsam, was ich schätze, denn mit Taxifahrern in den USA habe ich schon komische Erfahrungen gemacht. Wir sitzen hinten nebeneinander, staunen die hügelige Landschaft mit den niedrigen weißen Häusern an und schwitzen. Es hat 29 Grad, unfaßbar. Ich weiß ja nicht, wann Mark Twain hier war, aber offenbar nicht Anfang Juli.

Wir passieren den Union Square, das sieht alles sehr freundlich aus jetzt so im Sonnenschein. Üppig mit Blumenampeln dekorierte Hauseingänge und Straßenlaternen, historische Gebäude.

Auch unser Hotel gehört dazu. Das Staypineapple macht mit seinem Konzept einen modernen Eindruck, das Gebäude selbst ist über 100 Jahre alt und herrlich altmodisch.
https://www.staypineapple.com/union-squ ... -francisco
Meine Mutter hat auch ein Foto vom Hotel gemacht, aber das ist verschwunden. Wohin wissen wir nicht, aber das wie, das kommt noch.

Daß wir mit einem Reisebürovoucher anreisen, bringt den noch in der Einarbeitung befindlichen Rezeptionisten ein bißchen aus den Konzept, das kommt hier wohl nicht so oft vor. Bis er das hinkriegt, haben wir Gelegenheit, uns in der Lobby zu umzusehen, die sich mit schwarz-goldenem Farbkonzept so einen Art Déco-Anstrich gibt. Auf einem Tischchen werden nachmittags zum Hotelthema passende Ananas-Kekse geschichtet, dazu gibt es Ananas-aromatisiertes Wasser aus dem Spender. Jeder Gast erhält eine Thermosflasche als Gastgeschenk, in die sich am Tresen Wasser mit oder ohne Sprudel (und ohne Ananas-Geschmack) gezapft werden kann so oft man will.

Das spart, gerade bei 29 Grad Außentemperatur, erheblich Kosten für Getränke ein. Man verliert, was das Angebot in den kalifornischen Läden angeht, somit allerdings ein bißchen den Überblick, und das wird noch zu einem lustigen Mißverständnis führen.

Für den heutigen Tag haben wir genug. Wir nehmen uns jeder noch einen Ananas-Keks und verziehen uns auf unsere Zimmer, besuchen uns gegenseitig und sind entzückt. Die Betten würden einer Prinzessin auf der Erbse zusagen und im Wandschrank hängen flauschige gelbe Bademäntel und Pantoffeln.

Auch hier setzt sich das Ananaskonzept fort

und zwar in aller Konsequenz:

Das Motto „an elegant Hotel“ habe ich für Werbesprech gehalten, es trifft aber durchaus zu. Es gibt überhaupt nichts auszusetzen. Ich habe im Vorfeld über das Hotel nur Gutes gehört und finde alles bestätigt, es ist alles sehr sauber und gepflegt und angesichts des für eine zentrale Lage in San Francisco recht günstigen Preises viel schicker als erhofft.
Wir beschließen, heute nichts mehr essen zu gehen, wir sind immer noch pappsatt von der Swiss-Verpflegung. Eigentlich wollen wir nur noch herausfinden, ob die Betten tatsächlich so grandios bequem sind, wie vom Staypineapple selbst angepriesen.