So, es ist soweit. Meine erste "Kurzgeschichte" ist fertig und ich möchte Euch diese nicht vorenthalten...
"Hangover"
Es ist Samstag, der 15.03.2014. In den vergangenen sechs Tagen habe ich hier auf La Digue tolle Hochzeitsbilder sowohl mit Sarah und Christoph aus Waren an der Müritz sowie mit Angela und Oliver aus Frick in der Schweiz gemacht - und heute gehen wir alle zusammen in La Passe feiern!
Nach dem Abendessen treffen wir uns am Strand zwischen der Orangeraie und der Anse aux Cedres. Ein paar einheimische Kumpels sind auch schon dort. Wir lassen die vergangenen Tage Revue passieren, trinken eiskaltes Seybrew und den einen oder anderen Takamaka mit Cola.
Als wir nach einiger Zeit Biernachschub benötigen, bewegen wir uns Richtung Ortskern, kaufen weiteres Seybrew, setzen uns vor einem der Shops hin und beobachten das gemächliche Treiben in La Passe. Die Stimmung wird ausgelassener, die Witze derber - und irgendwann ist dann auch der Takamaka leer. Es ist nach 22 Uhr, die Geschäfte in Umgebung des Hafens haben geschlossen - und wir noch mächtigen Durst!
Wir fragen ein paar Einheimische, wo es denn wohl um diese Uhrzeit noch einen Shop gibt, der Takamaka verkauft. Blicke auf die Uhr. Kopfschütteln. Ein netter Rastaman empfiehlt uns, in Richtung Logan Hospital zu fahren. Ein Stück weiter liegt auf der rechten Seite ein kleiner Shop, den ich immer den "Chess Store" nenne. Im vorderen Teil werden halt Kleinigkeiten des täglichen Bedarfs verkauft und im hinteren Teil sitzen immer mindestens zwei Leute, die Schach spielen. Egal zu welcher Tageszeit, im "Chess Store" wird Schach gespielt. Christoph und ich steigen also auf die Räder, düsen los - und siehe da, der "Chess Store" hat tatsächlich noch geöffnet! Takamaka gibt es zwar leider keinen mehr, aber es gibt Gin und Bitter Lemon. Also wird schnell eine Flasche Gin gekauft und auch die Vorräte an Bitter Lemon finden einen neuen Besitzer. Alles wandert in meine Objektivtasche, die eigentlich dazu da ist, um drei Objektive aufzunehmen. Flaschen passen aber auch gut rein!

Dann wieder ab auf die Fahrräder und in Schlangenlinien (der bisher konsumierte Alkohol zeigt seine Wirkung) zurück in den Ortskern, wo die durstigen Freunde warten.
Selbstverständlich schaffen wir auch noch die Flasche Gin, bevor wir dann höchstmotiviert in die Open-Air-Kneipe "Tarosa" wackeln. Meine Objektivtasche ist irgendwie hinderlich und wird daher unter einem Busch auf dem Freigelände des Tarosa versteckt. Danach stürme ich an die Bar und bestelle angeblich auch direkt mehrere Takamaka, wie man mir später glaubhaft versichert...
Irgendwann ist es dann verdammt spät und Angela und Oli sowie Sarah wollen ins Bett. Christoph und ich bekommen aber noch kein Ende und halten es für eine ausgezeichnete Idee, noch ins "La Noche", die einzige Discothek auf La Digue, zu gehen. Dort gönnen wir uns dann noch 2-3 Longdrinks, bevor dann endgültig das Licht ausgeht. An den Weg aus der Disco erinnere ich mich nicht mehr wirklich - aber durchaus noch an mein Gefluche auf Englisch (!), als ich mein Fahrrad vor der Disco suche, es aber nicht finden kann. Immer und immer wieder laufe ich an den geparkten Rädern auf und ab - aber meines ist nicht dabei. Verdammt! Wer klaut denn auf so einer friedlichen Insel ein Fahrrad? Son of a bitch! Wieso ich auf Englisch geflucht habe, weiß ich bis heute nicht. Muss wohl am Gin liegen, den vertrage ich offenbar nicht...
Irgendwann gebe ich die Suche auf und laufe mitten in der Nacht sturzbetrunken nach Hause. Sind ja nur etwa anderthalb Kilometer bis zum Guesthouse...
Sechs Stunden später wache ich verkatert auf. Nach einer ausgiebigen Dusche laufe ich bei strahlendem Sonnenschein los in Richtung La Passe, um mein Fahrrad zu suchen. Jeder, der vorbeiradelt, wird von mir argwöhnisch unter die Lupe genommen - denn irgendwer muss mein Fahrrad ja haben. Aber irgendwie traut sich niemand, mit meinem Rad an mir vorbei zu düsen.
Leider ist mein Fahrrad auch bei Tageslicht nicht vorm "La Noche" zu finden. Es ist weg! Unglaublich. Auf La Digue klaut doch niemand ein Fahrrad!? Und was ist eigentlich aus meiner Objektivtasche geworden? Fluchend (diesmal auf Deutsch) laufe ich zum Tarosa. Hey! Da steht ja auch mein Fahrrad! Und zwar genau so, wie ich es am Vorabend dort abgestellt habe, denn so langsam kehrt die Erinnerung zurück. Ich habe es gar nicht mit bis zur Disco genommen! Depp! Da kannste dann ja lange vor der Disco suchen... Hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Gin offenbar nicht gut vertrage?
Ich schlendere durch die Gegend und halte nach meiner Objektivtasche Ausschau. Unter dem Busch liegt sie jedenfalls nicht mehr. Ich frage einen mittelalten Einheimischen, der im Tarosa die Stühle zurecht rückt, ob er meine Tasche gesehen habe. Nein, hat er nicht. So richtig glauben mag ich es dem Herrn mit der kolossalen Bierfahne aber nicht. Ich erzähle ihm, dass ich Fotograf und extra aus Deutschland eingeflogen bin, um hier Hochzeiten zu fotografieren und dass die Tasche enorm wichtig für mich sei. Er setzt sich hin, nimmt einen riesigen Schluck Bier (naja, zumindest riesig für einen Sonntagvormittag), sieht mich an und sagt dann nach einer gefühlten Ewigkeit: "Follow me".
Ich sehe ihn fragend an. Hat er grad gesagt, dass ich ihm folgen soll? Ja, hat er wohl. Ich frage ihn, wohin ich ihm folgen soll. Er entgegnet, dass er meine Tasche gefunden und nach Hause gebracht hätte. Ich schaue ihn offenbar so dermaßen skeptisch an, dass er von sich aus beginnt, mir die Tasche zu beschreiben. Ja, kein Zweifel, das ist sie. Also folge ich ihm. Meine Frage, wohin wir denn genau gehen, beantwortet er knapp mit "zu meiner Mom".
Immer tiefer geht es in die Inselmitte, wo sich ein Wohnhaus an das nächste reiht. Nach einer gefühlten Ewigkeit biegt er in einen schmalen Weg ab - und kurze Zeit später stehen wir vor einem Haus, vor dem eine alte Dame sitzt. Mutter und Sohn diskutieren auf Kreol - und ich ärgere mich mal wieder, dass ich nur einen Bruchteil verstehe. Irgendwann verschwindet er im Haus und kommt ein paar Augenblicke später mit meiner Objektivtasche wieder heraus. Yeah, das ist sie! Er drückt mir die Tasche in die Hand und verlangt einen Finderlohn. Mit den 100 Rupien, die ich in der Tasche habe, gibt er sich zufrieden. Ich bedanke mich, hüpfe auf mein wiedergefundenes Fahrrad und düse mit meiner wiedergefundenen Objektivtasche davon. Seit diesem Tag im März 2014 habe ich übrigens keinen einzigen Gin mehr getrunken...
Mit Christoph und Sarah habe ich noch immer einen regen Kontakt und Christoph (der nette blonde Herr) war so nett, mir die Fotos zu mailen, die an dem Abend aufgenommen wurden. Ihr kennt den Abspann von "Hangover"? Den, wo sich die Kerle nach dem Junggesellenabschied in Las Vegas die Fotos der Nacht auf ihrem Kameradisplay ansehen? Genau so habe ich mich gefühlt, als ich diese Bilder zum ersten Mal gesehen habe. Viel Spaß beim Betrachten...
